ein wenig aufklaerungsarbeit, in der hoffnung, dass mama coca wieder eine chance bekommt...

Samstag, 7. Juli 2007

Nein, wir sind nicht drogenabhängig! Wir haben hier in Bolivien und Peru nur mehr über eine außergewöhnliche Pflanze, die heute leider im Großteil der Welt verteufelt wird, erfahren. Aus diesem Grund möchten wir hier ein wenig Aufklärungsarbeit leisten und somit hoffentlich zur Aufbesserung des Rufes dieser heiligen Pflanze beitragen. Wenn genügend Leute, die vor allem in Europa und den USA verbreiteten Lügen über diese Pflanze als solche entlarven, hat Mama Coca vielleicht noch einmal eine Chance…


Erst mal allgemeines zur Botanik: Die lateinisch als Erythroxylum coca bezeichnete Pflanze kommt ursprünglich in Columbien, Brasilien, Chile, Argentinien und Teilen von Afrika, Indien, Sri Lanka, Java und Pakistan vor. In freier Natur wird die Cocastaude bis zu 6m hoch, in ihrer landwirtschaftlich genutzten Form wird sie allerdings niedriger gehalten, damit die Blätter kleiner und zarter bleiben. Die Pflanze kann bis zu 100 Jahre alt werden und begleitet eine Cocabauernfamilie normalerweise ein Leben lang. (mehr dazu später)
Die Cocastaude brauht eine Durchschnittstemperatur von ca. 20 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von ca. 90%. Sie bevorzugt nitratreiche Böden. Man kann eine Pflanze ca. 3-4 mal pro Jahr abernten. Die Blaetter werden anschliessend 2-3 tage getrocknet, wobei sie 75% ihres Gewichts verlieren.

Coca no es Cocaína – Coca ist nicht gleich Kokain
In der westlichen Welt herrscht die Auffassung, dass Coca eine Droge sei, was einfach nicht der Wahrheit entspricht. Sie ist nur der Rohstoff aus dem Kokain gewonnen werden kann. Bei der Kokainherstellung werden durch unzählige chemische Prozesse die im Blatt enthaltenen Alkaloide (Kokain) herausgewaschen. Um ein Kilo Kokainrohpaste herzustellen benötigt man ca. 100kg getrocknete Cocablätter. Aus dieser Rohpaste wird dann durch abermalige chemische Prozesse das Kokain extrahiert. Das Cocablatt selbst enthält nur 0,5% - 1,5% Alkaloide, welche aber beim Konsum des Blattes keinerlei halluzinogene Wirkung hervorrufen. Das Cocakauen kann von seiner Wirkung auf den Körper eher mit dem Konsum von Kaffee oder Tee verglichen werden. Hätte jemand entdeckt, dass man aus Kaffee das Koffein extrahieren kann und daraus ein Halluzinogen herstellen kann, wäre wahrscheinlich heute der Kaffee illegal. (Die Wallstreet würde zusammenbrechen…)

Cocakonsum und Wirkung:

Mate de Coca: Hierbei wird eine kleine Hand voll Cocablätter in einer Tasse mit heißem Wasser aufgegossen. Man lässt den Tee einige Minuten ziehen bis die Blätter abgesunken sind und trinkt ihn dann wie Kamillentee. Es gibt den Mate de Coca auch in fertigen Teebeuteln zu kaufen. Die Wirkung ist vergleichbar mit einer Tasse schwarzem Tee und wird in den Anden so wie bei uns der Kaffee nach dem Essen getrunken. Auch soll er eine positive Wirkung gegen die Höhenkrankheit haben. Wissenschaftlich ist nicht einmal bestätigt, ob sich beim Mate de Coca die Alkaloide überhaupt aus den Blättern auswaschen.

Das „Kauen“ von Coca: Das „Kauen“ ist die hauptsächliche Konsumationsart der Cocablätter. Hierbei werden die Blätter einzeln von den Stängeln gezogen und in der Backe gesammelt. Das können einige hundert Stück sein. Die Blätter werden nicht gekaut, sondern nur zwischen den Zähnen herumgewalzt, um mit dem Speichel den Saft der Blätter herauszuwaschen. Diese Methode ist so effektiv, dass fast 100% der im Blatt enthalten Wirk- und Nährstoffe ausgewaschen werden. Übrig bleibt fast reine Zellulose.
Die Alkaloide im Blatt müssen erst aktiviert werden. Hierzu mengt man dem Blätterspinat in der Backe das gummiartige, aus Asche, Zucker und Gewürzen bestehende lisia bei. Die Asche bringt dann die Wirkung. Innerhalb kurzer Zeit wird die gesamte Backe, Zunge, Rachen,… taub. Dies ist die einzige offensichtliche Wirkung. Vielleicht merkt man auch noch ein leichtes Wachheitsgefühl. Bei starkem Konsum hilft das Cocakauen Müdigkeit, Hunger und Kälte leichter zu ertragen. Dazu muss man aber schon ununterbrochen mehrere hundert Blätter in den Backen haben…
Neben diesen offensichtlichen Wirkungen hat das Cocablatt aber noch viele andere positive Effekte (weswegen wir es jetzt auch während dem trekken kauen):
- Es enthält so viel Kalzium, dass es von den Inka bis zum Eintreffen der ersten Europäer und deren Einführung von Milchtieren als einzige Kalziumquelle genutzt wurde.
- Es fördert die Sauerstoffaufnahme ins Blut (deswegen hilft es gegen die Höhenkrankheit)
- Es enthält viel Magnesium (beugt Krämpfen vor)
- Es stabilisiert den Blutzucker
- Es enthält unzählige Vitamine, Proteine und Eisen
- …
Das Coca ist aufgrund seiner Nährstoffe und wichtigen Bestandteile eigentlich das ideale Nahrungsergänzungsmittel.


Gesellschaftliche Bedeutung des Coca:
Das Coca spielt eine zentrale Rolle im Leben der Menschen in den Andenregionen. Mama Coca wird als heilige Pflanze verehrt und ist eine wichtige Opfergabe an die Pachamama (Mutter Erde). Außerdem wird das Coca bei anderen Opferritualen von den Teilnehmern gekaut (siehe „Kevins Tag bei den Minen“) Schamanen lesen aus geworfenen Cocablättern die Zukunft und sie haben auch sonst einen hohen Stellenwert in der magisch-religiösen Welt.
Aber auch aus dem alltäglichen Leben ist das Cocablatt nicht wegzudenken: Ein Gast wird mit einem Mate de Coca empfangen und auch nach dem Essen hat das gemeinsame Cocakauen einen hohen gesellschaftlichen Wert.
Für den Cocabauern hat die Pflanze einen ganz besonderen Wert, da sie ihn ein Leben lang begleitet. Wenn er eine Familie gründet, pflanzt er ein Cocafeld, das anfangs noch wenig Ertrag bringt. Später, wenn die Kinder alt genug sind mitzuarbeiten, ist auch das Cocafeld am ertragreichsten. Und im Alter, wenn die Kinder aus dem Haus sind und er nur noch sich und seine Frau ernähren muss wirft es weniger, aber immer noch genug ab. Das Leben eines Cocabauern ist stark mit seinen Pflanzen verbunden.

Geschichte des Coca:
Die Cocapflanze wurde schon lange vor den Inka kultiviert und genutzt. Es gibt hier in Bolivien und Peru viele Zeugnisse (Zeichnungen, Grabbeigaben,…) dafür.
Ca. zur Inkazeit entstand die Cocalegende, die besagt, dass das Coca den Indios als Geschenk gemacht wurde, aufdass sie aus dem Coca Kraft und Gesundheit schöpfen können. Diejenigen, die es nicht zu ehren wissen soll es krank machen. Diese Legende hat sich mit dem Kokain bestätigt…
Als in Europa noch mit dem Hammer betäubt wurde, wussten die Inka um die Betäubende Wirkung des Coca und führten erfolgreiche Gehirnoperationen durch. Auch heute sind die meisten Anästhetika auf Kokainbasis, es werden die Alkaloide nur synthetisch hergestellt.
In der Kolonialzeit wurde das Coca erst von der Kirche verteufelt und verboten. Als die spanischen „Eroberer“ aber erkannten welche positive Wirkung das Coca auf die indigenen Sklaven in den Silberminen hatte wurde es wieder erlaubt und sogar eine Cocasteuer eingeführt. Die spanischen Herren lobten das Coca hoch, da dadurch ein Indio 36 Stunden ohne Nahrung oder Pause unter Tag arbeiten konnte. Später wurde sogar ein Teil des Lohnes der mineros in Coca ausbezahlt.
In der Neuzeit gelangte das Coca in der westlichen Welt zu Ruhm. Es kamen Getränke auf Cocabasis auf den Markt (Cocawein, Cocalikör und später Coca Cola). Das Kokain wurde zur Modedroge. Siegmund Freud zum Beispiel lobte das Kokain und verschrieb es auch seinen Patienten. Selbst der Papst zu dieser Zeit lobte den Cocawein wegen seiner gesundheitsfördernden Wirkung.
Doch dieser Boom hielt nicht lange und das Kokain und leider auch das Coca wurden verboten. Nur in den ursprünglichen Andenregionen behielt das Coca seinen legalen Status und seine Wichtigkeit für die Bevölkerung bei.
Anfang der 1950er Jahre entsendete die UNO eine Delegation nach Bolivien und Peru mit der Aufgabe die schädliche Wirkung des Coca (nicht Kokain) zu bestätigen. Schon bei der Ankunft in Südamerika waren sie in ihrer Meinung gefestigt, dass das Kauen von Coca Schuld an der Armut im Land sei. Seit diesem Tag geriet die Cocapflanze immer mehr ins Fadenkreuz der DEA (amerikanische Drogenbekämpfungsorganisation) und die USA strebte ihr weltweites Verbot an. Komischerweise ist gerade die USA der Hauptkäufer von Cocablättern. Die Coca-Cola Company kauft jährlich zig Tonnen Coca für ihren Softdrink. Dieser enthält zwar kein Kokain mehr, es wird aber der Geschmacksstoff des Cocablattes benötigt, welcher sich chemisch nicht herstellen lässt.
Dieses Verbot anstrebend setzte in Bolivien ein regelrechter Cocakrieg ein. Die Regierung musste auf Druck der USA den Cocaanbau unterbinden und tat dies mit außerordentlicher Gewalt. Die Felder wurden abgeholzt oder verbrannt und die Cocabauern, die sich dem Militär und der DEA entgegenstellten teilweise gnadenlos erschossen. Die Cocabauern mussten mehr oder weniger hilflos zusehen, wie ihre Existenz brutal zerstört wurde.
Der jetzige Präsident Boliviens, Evo Morales, der zu dieser Zeit ebenfalls Cocabauer war, war Mitinitiator eines Protestmarsches der Cocabauern auf La Paz. Bei ihrem mehrere hundert Kilometer langen Marsch gewannen die Cocabauern immer mehr die Sympathie der restlichen Bevölkerung und bei ihrem Eintreffen in La Paz war die ganze Stadt so in Aufruhr, dass die Regierung unter Zugzwang geraten war und handeln musste. Die Versprechungen wurden zwar nicht gehalten, aber der Stein war ins Rollen gekommen und gravierende politische Veränderungen fanden statt.
Vor ca. 1 Jahr wurde Evo Morales zum ersten indigenen Präsidenten Boliviens gewählt und als ehemaliger Cocabauer und USA-Gegner lässt er sich nicht mehr unter Druck setzen und kämpft besonders für die Bewahrung des Cocas. Vielleicht schafft er es auch den schlechten Ruf, den die Cocapflanze weltweit hat, ein bisschen zu bessern. Bei einer UN-Versammlung in New York hat er zum Beispiel ein paar Blätter aus der Tasche gezogen und dafür plädiert den illegalen Status der Cocapflanze aufzuheben! Er setzt sich stark dafür ein Kokain zu bekämpfen, Coca jedoch zu legalisieren. Unserer Meinung nach der richtige Weg!


Links:



http://de.wikipedia.org/wiki/Cocastrauch– für noch mehr Informationen bzgl. Coca

http://www.evomorales.net/paginasDeu/aDefault_Deu.aspx – Eine sehr interessante Seite über Coca und bolivianische Politik, auch auf Deutsch